14.01.2021

Händler im Überlebenskampf – Verband befürchtet, dass dringend notwendige Corona-Wirtschaftshilfen nicht ankommen

Für rund 80 Prozent der betroffenen Einzelhändler in Baden-Württemberg reichen die derzeitigen Hilfsmaßnahmen nicht aus. Das ergab eine aktuelle Umfrage des Handelsverbands Baden-Württemberg (HBW) unter mehr als 300 Händlern. Knapp 70 Prozent der Befragten sehen sich dadurch in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet. 

„Die Bundesregierung in Person von Finanzminister Olaf Scholz muss die in Aussicht gestellten Überbrückungshilfen jetzt schnell überarbeiten und die Beantragungskriterien besser an die Lage des Einzelhandels anpassen, ansonsten wird es ein Massensterben unter den betroffenen Händlern im Südwesten geben, die Lage im Einzelhandel ist jetzt schon dramatisch“, sagte HBW-Präsident Hermann Hutter am Mittwoch auf einer Pressekonferenz des HBW.

In der Umfrage werde klar: Die versprochenen Finanzhilfen kommen nicht an. Dementsprechend pessimistisch blickt eine deutliche Mehrheit der befragten Unternehmen auf das gerade begonnene Jahr: Knapp 70 Prozent gehen davon aus, dass sie ohne weitere staatliche Unterstützung aufgeben und in die Insolvenz gehen müssen – spätestens im zweiten Halbjahr diesen Jahres. 

Bis zu 12.000 Geschäftsschließungen und 200.000 Arbeitsplatzverluste im Südwesten befürchtet

„Wenn es schlecht läuft, rechnen wir mit einer Verdopplung der von uns prognostizierten 6.000 Schließungen auf rund 12.000 Schließungen und Insolvenzen in den nächsten zwei Jahren in Baden-Württemberg“, so Hutter. 
Kurzfristig stünden dadurch 100.000 Arbeitsplätze im Handel im Südwesten auf der Kippe, langfristig seien bis zu 200.000 gefährdet.

Forderung: Überbrückungshilfe fair und sachgerecht überarbeiten

Mit Blick auf die versprochenen Finanzhilfen für die Branche ist für den Verband klar: Unabhängig vom Gebot der Gleichbehandlung mit Blick auf die Dezemberhilfen werden auch für den Schließungszeitraum im Januar substanzielle Hilfeleistungen erforderlich sein. 

„Die Überbrückungshilfe ist daher zwingend in Bezug auf die Zugangsvoraussetzungen und auf die Breite der Unterstützung nochmals zu überarbeiten“, so Hutter.

Der Verband schlägt einen pauschalen Fixkostenzuschuss in Orientierung am Rohertrag vor. Der Rohertrag ist die Differenz zwischen Umsatzerlösen und Wareneinsatz. 

Diesen Vorschlag hat der Verband zudem in einem Schreiben an Bundesfinanzminister Olaf Scholz verdeutlicht und ihn aufgefordert, zu seinen Zusagen zu stehen. 

Einen flammenden Appell an die Bundesregierung hielt Roland Reischmann, Geschäftsführer der Roland Reischmann GmbH & Co. KG in Ravensburg: „Frau Merkel, Herr Scholz, haben Sie uns vergessen?“, fragte er. Der Einzelhandel, der zudem kein Treiber der Infektionszahlen sei, könne doch die Folgen der Corona-Beschränkungen nicht alleine tragen. 

„Der Einzelhandel ist nicht das Problem dieser Pandemie“, sagte er, „aber er kann Teil der Lösung sein.“

Reischmann erinnerte daran, dass die Innenstädte, sollte es keine baldmöglichste Öffnung und adäquate Hilfen geben, auch nach Beendigung des Lockdowns so gespenstisch und unattraktiv bleiben könnten, wie sie während des Lockdowns sind und wies auch darauf hin, dass bereits jetzt die Leerstände auch in der Vorzeigeeinkaufsstadt Ravensburg exponentiell zugenommen hätten.

Reischmanns Kollege aus Mannheim, Manfred Schnabel, Geschäftsführer von expert Esch, Mannheim, pflichtete bei. „Vor dem Hintergrund, dass der Handel nachweislich zum Infektionsgeschehen kaum beiträgt, stellt sich die Frage, ob die aktuellen Maßnahmen geeignet, verhältnismäßig und fair sind?“ Er forderte eine klare Eröffnungsperspektive und eine angemessene Unterstützung: „Keine Almosen in Form von unverständlichen Überbrückungshilfen, die nicht einmal die Steuerberater verstehen und deren Hürden wir nicht nehmen können, sondern eine ganz schlichte Entschädigung vom Tag der Schließung bis zum Tag der Wiedereröffnung!“

In dieselbe Richtung ging Sven Maier, der Geschäftsführer der Heimtextil Handel- und Beteiligungs GmbH in Bad Boll: „Die finanziellen Ressourcen der Händler sind sehr begrenzt – vor allem im stationären Handel. Lange werden es viele Händler nicht mehr durchhalten“, warnte er.

Simon Bittel, Geschäftsführer der AMICA Parfümeriehandels- und Beteiligungsgesellschaft mbH in Ravensburg sagte: „Die zwei Lockdowns haben uns das gesamte Jahr 2020 ruiniert!“

An den angekündigten Wirtschaftshilfen kritisierte er: „Die Zugangshürden für die Hilfen sind viel zu hoch.“

Bittel, der gemeinsam mit anderen Händlern, u.a. mit Roland Reischmann, die Initiative #handelstehtzusammen (www.handelstehtzusammen.de) gegründet hat, um auf eine Überarbeitung der Überbrückungshilfen zu drängen, betonte außerdem: 

„Die Ungerechtigkeiten in den Wirtschaftshilfen müssen beseitigt werden, sonst droht die Verödung der Innenstädte!“
 

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