14.04.2020

Verband fordert diskriminierungsfreie, bundeseinheitliche Öffnung aller Geschäfte ab 20. April

Vor dem entscheidenden Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Ministerpräsidenten der Länder zu Lockerungen von Corona-Beschränkungen forderte der Handelsverband Baden-Württemberg (HBW) in einem Gespräch mit Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann von der Landesregierung eine schnelle, von Vorsichtsmaßnahmen begleitete Wiedereröffnung der Einzelhandelsgeschäfte ab 20. April – unabhängig von deren Branche und Größe. HBW-Präsident Hermann Hutter sagte: „Die Händler würden in diesem Fall selbstverständlich die möglichst bundeseinheitlich geltenden und damit planbaren und verlässlichen geltenden Hygieneverordnungen umsetzen, um Mitarbeiter und Kunden bestmöglich zu schützen“. HBW-Hauptgeschäftsführerin Sabine Hagmann ergänzte: „Ohne diese Perspektive stehen viele Betriebe vor dem Aus.“

Nachdem die ergriffenen Maßnahmen – darunter die Zwangsschließung von nicht systemrelevanten Geschäften – ihre Wirkung zeigen und die Infektionszahlen sinken, muss mit der schrittweisen Wiederankurbelung der Wirtschaft begonnen werden“, sagte Hutter. Dabei sieht der HBW die Öffnung der zwangsgeschlossenen Läden an erster Stelle. Der systemrelevante Handel mit hohen Frequenzen habe gezeigt, dass er auch unter hohem Druck und bei über Nacht sich verändernden Verordnungsanforderungen seiner Verantwortung nachkomme und zum Schutz vor Infektionen alle ihm auferlegten Hygienemaßnahmen sofort umsetze, heißt es aus dem Verband.

„Die von Wissenschaft und Politik nun zugrunde gelegten Hygienemaßnahmen sind wissenschaftlich fundiert und damit planbar. Sie können vom Handel grundsätzlich schnell umgesetzt werden, um den Schutz der Kunden und der Arbeitnehmer im Handel zu gewährleisten. Daher spricht gegen eine Wiedereröffnung der Geschäfte nichts mehr! “, so Hagmann. Die bisher verordneten Hygienemaßnahmen seien flächendeckend vorbildlich umgesetzt worden. „Der Schutz der Bevölkerung stand für alle immer an erster Stelle – ungeachtet der wirtschaftlichen negativen Auswirkungen.“

Alle Einzelhandelsbetriebe, auch die mittelständischen, stünden mittlerweile Gewehr bei Fuß und würden sich selbstverständlich den aktuell geltenden und wirksamen Hygieneauflagen unterwerfen, sagte Hagmann weiter.
Der Verband fordert deshalb erneut, alle Einzelhandelsgeschäfte – auch die größeren und nicht nur die kleinen – ab 20. April wieder zu öffnen – soweit der Verlauf der Corona-Pandemie dies zulasse. Erst mal nur die kleinen zu öffnen, bringe auch denen nichts, wenn es dem Kunden dann an Klarheit und Attraktivität für den Einkauf fehle.

„Für die Einzelhändler geht es bei jedem weiteren Tag der Schließung um die nackte wirtschaftliche Existenz“, so Hagmann. Diese Tatsache müsse in die Abwägung aller Interessen mit einbezogen werden.

Dies bestätigt auch eine Kurz-Umfrage des Verbandes in der vergangenen Woche: Die Mehrheit der befragten Händler – darunter auch so genannte systemrelevante wie Lebensmittelhändler – verzeichnen demnach ein Umsatzminus von bis zu 100 Prozent seit Beginn der Beschränkungen durch die Corona-Krise. Das geht aus einer Umfrage des HBW unter knapp 200 Händlern hervor. „Dass momentan auch die Geschäfte ein dickes Minus machen, die geöffnet bleiben dürfen, bedeutet für uns: Der Einzelhandel muss ab dem 20. April wieder öffnen dürfen und nach der Corona-Krise finanziell entschädigt und von bürokratischen Hemmnissen befreit werden“, sagte Hagmann.

„Gerade auch der Innenstadthandel und dort noch mehr der Mode- und Textileinzelhandel ist besonders von den Schließungen betroffen. Zu laufenden Kosten wie Personalkosten und Mieten kommen hier Ausgaben für modische saisonale Ware hinzu, die nur noch schwer verkauft werden können, wenn überhaupt! Diese Umsätze werden nicht mehr nachgeholt“, so Hagmann weiter.
Feste und andere Anlässe, ja die komplette Verkaufssaison seien ausgefallen. Dies gelte aber auch für diejenige Branchen, die Häuser, Gärten und Küchen zu bestimmten Anlässen verschönern. Hier sei es zudem zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der Unternehmen, die geschlossen hatten, gekommen.

„Der Eindruck, dass alle Lebensmittelgeschäfte zurzeit das große Geschäft machen, täuscht gewaltig“, betont Hagmann. Auch diese Händler leiden wie die gesamte Branche sehr stark unter der vorherrschenden Krise.“

Belastend für alle Händler hinzu käme die Verunsicherung in der Branche, wie es nach der Corona-Krise strukturell und finanziell weitergehe. „Jeder Tag trägt hier zu einer weiteren Belastung bei. Diese Verunsicherung macht sich auch unter den Kunden breit, wie unsere Umfrage zeigt“, so Hagmann weiter.
Einer der befragten Händler befürchtet für die erste Zeit nach Corona, „dass die Umsätze massiv einbrechen und die laufenden Kosten nicht mehr erwirtschaftet werden können. Die Kunden werden sich zurückhalten, viele sind in Kurzarbeit und haben nicht mehr so viel Geld zur Verfügung.“

Für die Händler gelte daher: Je früher, desto besser, denn schon jetzt sei der wirtschaftliche Schaden durch die vom Staat angeordneten Schließung, immens hoch. Aufs gesamte Jahr 2020 gesehen erwartet laut der Umfrage eine deutliche Mehrheit ein Umsatzminus von bis zu 30 Prozent.

Der Verband appellierte erneut dringend an die Landesregierung, eine staatliche Garantiezusage für eine Entschädigungsleistung für den eingetretenen Schaden der zwangsgeschlossenen Händler auszurufen.
„Dabei muss berücksichtigt werden, dass der Handel keinerlei Schuld an der Pandemie trägt. Anders als bei den Bankenkrisen früherer Jahre hat der Einzelhandel keine Kausalität gesetzt. Er hat auch nicht freiwillig geschlossen, weil Lieferketten eventuell nicht mehr funktionieren“, so Hutter.
Die Zwangsschließung ohne eigenes Verschulden müsse daher, so der Verband, zwingend zu einer Entschädigung dieser besonders betroffenen Branchen führen.

„Wir brauchen diese staatliche Entschädigungszusage so schnell wie möglich, unabhängig von Größenordnung und wirtschaftlicher Stärke, basierend auf einer klaren gesetzlichen Anspruchsgrundlage“, sagte Hutter.
Ansonsten seien tausende von Insolvenzen im Einzelhandel noch in diesem ersten Halbjahr 2020 zu erwarten.

Der Verband lobte an dieser Stelle erneut ausdrücklich die Bereitschaft des Wirtschaftsministeriums, den kleinen Einzelhandel mit bis zu 50 Mitarbeitern mit ersten finanziellen Direkthilfen unter die Arme zu greifen. Allerdings berichtet laut der Umfrage eine deutliche Mehrheit von befriedigenden bis mangelhaften Erfahrungen bei der Beantragung von staatlicher Hilfe. Unternehmen mit über 50 Mitarbeiter fühlen sich dagegen völlig im Stich gelassen, was Soforthilfen anbelangt.

Positiv verlaufen sind für die befragten Händler zumindest die Verhandlungen mit dem Vermieter über das eventuelle Aussetzen oder die Stundung von Mieten. Bei dieser Problematik müssen sich zahlreiche Befragte keine Sorgen machen, da sich die Immobilie im eigenen Besitz befindet. Die, die für ihr stationäres Geschäft Miete zahlen müssen, betonen, dass die bisherigen Verhandlungen mit dem Vermieter positiv und entgegenkommend verlaufen seien. Allerdings belasten die weiterhin zu zahlenden Mieten den zwangsgeschlossenen Einzelhandel dennoch sehr. Auch hier erwarten die Befragten einen staatlichen Ausgleich.
 

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